Ulrike Edschmidt, Levys Testament, Suhrkamp 2021.
Die 80-jährige Autorin blickt auch in ihrem vierten Roman in die eigene Geschichte. 1972 geht die Westberlinerin eine Liebesbeziehung mit einem Engländer ein. Gemeinsam unterstützen sie Anarchisten im Londoner Gerichtssaal des Old Bailey; getragen vom radikalen Axiom, im Falschen zu leben, erleiden sie die Stadt. Später kommt es zur Trennung, es bleibt Freundschaft. Ab Kapitel 26 wird es spannend: Jahrzehnte später erforscht der Engländer sein Familiendrama, eine Betrugsgeschichte von 1924, die ebenfalls im Old Bailey verhandelt wurde. Die NS-Verbrechen kommen ins Spiel. Dem Engländer bleiben die Antriebe seiner Vorfahren undurchsichtig. Schurken und/oder Wohltäter? Nüchterner Stil ohne Adjektive; unschöne Sprache, die die Schonungslosigkeit der Realität gut transportiert.