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Kurzrezensionen

„Die Lieblingswörter meines Vaters waren Standhaftigkeit und Konsequenz. Ich sah immer mehr deren finstere Seiten.“

Arno Geiger, Unter der Drachenwand, Carl Hanser Verlag 2018.

Die in den Antikriegsroman integrierte Liebesgeschichte ist wahr; der Mann Veit Kolbe starb 2004, die Frau Margot lebte 2018 noch (95 Jahre alt).

Soldat Kolbe erholt sich ab Dezember 1943 von seinen Kriegstraumata im Salzburger Land, nah eines Gebirgsmassivs (Drachenwand), das die Bedrohungen der Kriegszeit symbolisiert. Hier lernt Kolbe die alleinerziehende Margot kennen und lieben. – Es gibt keinen allwissenden auktorialen Erzähler; neben Kolbe, der seine vergangenen Erlebnisse zwecks Bewältigung aufschreibt, werden die Ereignisse von drei anderen Figuren erzählt, sei es als Kritiker, Opfer oder Mitläufer des Regimes. Alle Figuren erzählen aus der Gegenwartsperspektive, keiner weiß, wann der Krieg vorbei ist. – Die unterschiedlichen Sichtweisen schaffen ebenso Spannungsmomente wie die verbrecherische Zeit an sich.   

Obiges Zitat ist von Kolbe, als er über seinen nationalsozialistischen Vater sinniert (Seite 437). – Ein Satz mit existentialistischen Zügen, gesprochen von einer anderen Figur: „Meistens genieße ich meine Unabhängigkeit und fühle mich vollständig in meinem Alleinsein“ (335).

Die Drachenwand. Hier kommt im Roman beim Anstieg ein junges Mädchen um - die Wand als Metapher einer allmächtigen Gewaltherrschaft.
Die Drachenwand. Hier kommt im Roman ein junges Mädchen um – der Tod an der Wand als Spiegel der allmächtigen Gewaltherrschaft. Das Gemälde von 1870 ist gemeinfrei, vgl.: Wikipedia, Drachenwand